BGH 15. Juni 2021
II ZB 25/17
HGB § 12 Abs. 2; BeurkG § 39a; BGB § 126a

Anforderungen an das „elektronische Zeugnis“ i. S. d. § 12 Abs. 2 HGB; Erfordernis einer qualifizierten elektronischen Signatur eines Notars

HGB § 12 Abs. 2; BeurkG § 39a; BGB § 126a
Anforderungen an das „elektronische Zeugnis“ i. S. d. § 12 Abs. 2 HGB; Erfordernis einer qualifizierten elektronischen Signatur eines Notars

Die Anmeldung einer Eintragung in das Handelsregister ist gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 HGB mit einem einfachen elektronischen Zeugnis eines Notars gemäß § 39a BeurkG elektronisch einzureichen. Die Einreichung mit einer qualifizierten elektronischen Signatur des Ausstellers der Anmeldung gemäß § 126a BGB reicht nicht aus.

BGH, Beschl. v. 15.6.2021 – II ZB 25/17

Problem und Kontext der Entscheidung
Nicht zum ersten Mal beschäftigt sich der Bundesgerichtshof mit der gegenständlichen Rechtssache. Die All in One Star Limited mit Satzungssitz im Vereinigten Königreich reichte 2014 beim Registergericht Frankfurt a. M. die Anmeldung einer Zweigniederlassung ein. Die Anmeldung nebst Anlagen wurde auf elektronischem Weg mit einer qualifizierten elektronischen Signatur des directors und alleinigen Gesellschafters der Limited an das Registergericht übersendet. Dieses wies die Anmeldung mittels Zwischenverfügung zurück (AG Frankfurt v. 11.6.2014 – 72 AR 692/14), da die Höhe des Stammkapitals der Gesellschaft nicht angegeben sei (§ 13g Abs. 3 HGB i. V. m. § 10 Abs. 1 GmbHG) und der director zwar versichert habe, dass in seiner Person kein Umstand vorliege, der seiner Bestellung nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, 3 und Satz 3 GmbHG entgegenstehe, nicht aber, dass er insoweit auch über seine Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht belehrt worden sei (§ 13g Abs. 2 Satz 2 HGB i.V.m. § 8 Abs. 3 Satz 1 GmbHG). Zudem könne der Anmeldung nicht entsprochen werden, da das nach § 39a BeurkG i. V. m. § 12 Abs. 2 HGB erforderliche elektronische Zeugnis eines Notars fehle. Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das OLG Frankfurt (OLG Frankfurt v. 8.8.2017 – 20 W 229/14) im Wesentlichen mit der Begründung zurück, dass sämtliche Beanstandungen ihre Grundlage in dem anwendbaren eutschen Registerverfahrensrecht fänden.

Gegen die Entscheidung im Beschwerdeverfahren wandte sich die All in One Star Limited mit einer Rechtsbeschwerde an den BGH, der davon ausging, dass die Entscheidung von der Auslegung des Art. 30 Gesellschaftsrechts-RL (RL 2017/1132/EU v. 14.6.2017, ABl. EU Nr. L 169/20217, 1) sowie der Niederlassungsfreiheit der Art. 49, 54 AEUV abhänge. Das Verfahren war infolge des Vorlagebeschlusses des BGH vom 14.5.2019 (BGH v. 15.5.2020 – II ZB 25/17) sodann ab dem 19.6.2019 unter dem Az. C-469/19 beim EuGH anhängig. Am 14.10.2020 stellte Generalanwalt Szpunar die Schlussanträge in der Rechtssache (ECLI:EU:C:2020:822). Zu einer Entscheidung des EuGH kam es jedoch nicht. Am 16.2.2021 hob der BGH den Aussetzungs- und Vorlagebeschluss auf. Art. 30 Gesellschaftsrechts-RL sei nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU mit Wirkung zum 1.2.2020 (ABl. EU Nr. L 29/2020, 1) und dem Ablauf des in Art. 126 dieses Austrittsabkommens bestimmten Übergangszeitraums am 31.12.2020 auf die Anmeldung der inländischen Zweigniederlassung der Beteiligten nicht mehr anzuwenden, da es sich beim Vereinigten Königreich nicht weiter um einen anderen Mitgliedstaat der Union handle. Der BGH stellte zudem klar, dass sich britische Limiteds nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU grundsätzlich nicht mehr auf die in Art. 49, 54 AEUV geregelte Niederlassungsfreiheit berufen könnten (zur Nichtgeltung von EU-Recht für britische Gesellschaften nach dem Brexit DNotI-Report 2021, 9). Die vorliegende Entscheidung des BGH stellt nun die Entscheidung in der Rechtsbeschwerde dar, die nach der Aufhebung des Aussetzungs- und Vorlagebeschlusses noch ausstand.

Entscheidung
Der BGH bestätigt nun die Zwischenverfügung des Registergerichts. Entscheidend sei angesichts der Publizitäts-, Verkehrsschutz- und Informationsfunktion des Handelsregisters die besondere Richtigkeitsgewähr der Anmeldung insgesamt, für welche die Bestätigung durch einen unabhängigen Träger eines öffentlichen Amtes nach § 39a BeurkG geboten sei.

Für das inländische Registerverfahren und damit auch für die Eintragung einer Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft in das Handelsregister gelte deutsches Registerverfahrensrecht. Nach § 12 Abs. 1 S. 1 HGB sind Anmeldungen zur Eintragung in das Handelsregister elektronisch in öffentlich beglaubigter Form einzureichen. § 12 Abs. 2 S. 1 HGB bestimmt, dass Dokumente elektronisch einzureichen sind. § 12 Abs. 2 S. 2 HGB spezifiziert, dass, falls eine Urschrift oder eine einfache Abschrift einzureichen oder für das Dokument die Schriftform bestimmt ist, die Übermittlung einer elektronischen Aufzeichnung genügt. Falls ein notariell beurkundetes Dokument oder eine öffentlich beglaubigte Abschrift einzureichen, ist ein mit einem einfachen elektronischen Zeugnis (§ 39a BeurkG) versehenes Dokument zu übermitteln. § 126a Abs. 1 BGB – dessen Vorgaben der director der Limited bei der Anmeldung eingehalten hat – betreffe nur den Fall, dass eine eigentlich in schriftlicher Form (§ 126 BGB) abzufassende Erklärung stattdessen in elektronischer Form abgegeben werden solle. Er regele mithin die bei der Erstellung der elektronischen Erklärung einzuhaltende Form, nicht aber die weitere Frage, welche Form bei der anschließenden elektronischen Übermittlung dieser Erklärung zu wahren ist. § 12 Abs. 2 HGB sei in diesem Zusammenhang nicht nur auf Dokumente anwendbar, die als Anlagen zur Anmeldung einzureichen sind, sondern auch auf die Anmeldung selbst. Unter den Begriff „Dokumente“ i. S. d. § 12 Abs. 2 HGB sei nach allgemeinem Sprachgebrauch auch die schriftlich verfasste Anmeldungserklärung zu fassen. Die Funktion des Handelsregisters, insbesondere die mit einer dortigen Eintragung verbundene Publizitätswirkung, erfordere eine besondere Richtigkeitsgewähr bei der elektronischen Übermittlung der Anmeldung, die allein durch § 12 Abs. 1 S. 1 HGB nicht sichergestellt sein soll. Der „Medienwechsel“ von der Anmeldung in Papierform zur Anmeldung in elektronischer Form erfordere eine zusätzliche Bestätigung der inhaltlichen Übereinstimmung des Papierdokuments mit dem elektronisch übermittelten Dokument, wofür die Bestätigung durch einen unabhängigen Träger eines öffentlichen Amtes gemäß § 39a BeurkG die erforderliche besondere Richtigkeitsgewähr biete.

Zudem äußert sich der II. Zivilsenat zu der Frage, ob eine britische Limited nach § 13g Abs. 1, Abs. 2 S. 1 HGB zur Vorlage ihres memorandum of association in öffentlich beglaubigter Abschrift nebst beglaubigter Übersetzung verpflichtet ist. Für eine nach Ansicht des Senats der deutschen GmbH vergleichbare private company limited by shares seien hinsichtlich der Anmeldung einer deutschen Zweigniederlassung die § 13d, 13e und 13g HGB entsprechend anwendbar. Danach sei der Anmeldung u.a. gemäß § 13g Abs. 1, Abs. 2 S. 1 HGB der Gesellschaftsvertrag in öffentlich beglaubigter Abschrift und, sofern er nicht in deutscher Sprache erstellt ist, eine beglaubigte Übersetzung beizufügen. Die Vereinbarkeit der deutschen Regelungen mit der Richtlinie über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts (RL 2017/1132/EU, ABl. L 169/46 v. 30.6.2017) spiele nach dem Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU und der daraus folgenden Nichtanwendung von Unionsrecht auf den Sachverhalt für die Beschwerdeführerin keine entscheidende Rolle mehr, wie der Senat bereits in seinem Beschluss v. 16.2.2021 ausgeführt habe. Ebenso bleibt die Rechtsbeschwerde hinsichtlich der fehlenden Angabe des Stammkapitals gem. § 13g Abs. 1, Abs. 3 HGB i. V. m. § 10 Abs. 1 GmbHG in Form des issued share capital und bezüglich der fehlenden Versicherung des directors über seine Belehrung gem. § 13g Abs. 1, Abs. 2 S. 2 HGB i. V. m. § 8 Abs. 3 GmbHG ohne Erfolg.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

15.06.2021

Aktenzeichen:

II ZB 25/17

Rechtsgebiete:

Handelsregisterrecht und allgemeines Gesellschaftsrecht
Beurkundungsverfahren
GmbH

Erschienen in:

DNotI-Report 2021, 118-119

Normen in Titel:

HGB § 12 Abs. 2; BeurkG § 39a; BGB § 126a